Eine Anekdote von Hubert vom Venn*
Auf der Rückfahrt in die Nordeifel lege ich immer wieder gerne im „Hotel Balter“ in Losheim ein Päuschen ein. Diesmal nicht nur wegen der Kartoffelsuppe, sondern auch, weil Hermann Josef Balter mir versprochen hatte, eine typische Eifeler Grenzgeschichte zu erzählen: 1958 wurde aus dem belgischen Losheim ein deutscher Ort, die „Eifeler Schlitzohren“ hatten sich dabei den Wechsel zunutze gemacht. Durch Losheim (gehört heute zur Gemeinde Hellenthal) führte schon immer die gerade Straße von Aachen nach Trier – manche schieben die Fernstraße den Römern in die Sandalen, manche Napoleon in die Marschstiefel. Auf jeden Fall führte diese Chaussee nach dem Zweiten Weltkrieg plötzlich durch Belgien, wurde zur Transitstrecke mit vier Zollkontrollen auf einem recht kurzen Stück. Im deutsch-belgischen Grenzvertrag von 1956 wurde festgelegt, dass Losheim am 28. August 1958 wieder deutsch werden sollte.
„Eifeler Schlitzohren“ hatten für die Nacht des „Länderwechsels“ einige Ideen entwickelt. Hermann Josef Balter war damals Metzgerlehrling bei einem Fleischer in der belgischen Eifel. Am 27. August brachte er 40 belgische Schweine in Losheim unter – und siehe da: Um Mitternacht wurden diese zu deutschen Schweinen. Das hieß damals: Pro deutsche Sau verdienten die beiden über Nacht 100 Mark mehr. Doch die übrigen Losheimer hatten nicht nur Schweine auf dem Plan: Unmengen Zigaretten und Kaffee wanderten so – ohne Einsatz einer Schmugglertruppe und ohne sich einen Millimeter zu bewegen – über die Zollschranke. Anfänglich drückten die deutschen Behörden noch ein Auge zu, stellen aber bald fest, dass der Zufluss von Kaffee und Zigaretten nicht enden wollte.
Hermann Josef Balter: „Eines Tages umstellten plötzlich deutsche Zöllner unser Haus und wollten den Kaffee sehen. Was wir nicht wussten: Wenn man den Boden der Kaffeetüten aufriss, stand dort das Datum der Röstung. Unser Pech: Da stand der 27. August. Keiner glaubte uns, dass der Kaffee am Tag der Röstung bereits in Losheim angekommen sei.“ Die Strafe ist Eifeler Schmugglergeschichte und muss hier nicht erwähnt werden… Doch der Kampf mit den Behörden ging weiter. Vom Bauamt erschienen eines Tages Beamte, da Mutter Anna Balter einen Vorbau ohne Baugenehmigung errichtet hatte. Doch die couragierte Frau schickte diese mit nur einem Argument zurück in ihre Bürostuben: „Die mir das Haus zerbombt haben, hatten auch keine Genehmigung.“ Doch Obrigkeit nicht genug: Balters Söhne gingen im belgischen Manderfeld zur Schule, die Administration meinte dagegen, dass das deutsche Udenbreth der gesetzliche Schulort sei. Also zogen die Kinder für den Rest ihrer Schulzeit zu einer belgischen Bekannten um…
(*Schriftsteller und Kabarettist - aus dem Buch: Eifel. In Wanderschuhen über brodelnde Erde - aber niemals mit roten Socken - ein Heimatbuch (Conbook-Verlag)
Siehe hierzu: Heimatbuch: BRF - Hubert vom Venns Liebeserklärung an die Eifel